Globale Biodiversitätsziele holen wissenschaftliche Erkenntnisse ein

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Das kürzlich verabschiedete Globale Biodiversitätsrahmenwerk von Montreal-Kunming (GBF; Montreal-Kunming Global Biodiversity Framework) ist ein wichtiger Schritt, um die globale Politik mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die marine Biodiversität in Einklang zu bringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie, in der die Literatur zur marinen Biodiversität der Dekade der Vereinten Nationen zur Biodiversität untersucht wurde, um zu beurteilen, ob die Ziele des GBF die Komplexität des marinen Lebens widerspiegeln und die bisherigen Aichi-Ziele verbessern.

Die UN-Dekade der Biodiversität (2011 – 2020) war von einem starken Anstieg der Forschungs- und Politikbemühungen geprägt, den Verlust der Biodiversität zu stoppen. Die 2010 verabschiedeten Aichi-Ziele wurden jedoch oft dafür kritisiert, die Vielfalt der marinen Biodiversität nicht vollständig abzubilden. Das neue GBF, das auf der COP15 beschlossen wurde, zielt nun darauf ab, diese Lücken zu schließen, indem es umfassendere und ambitioniertere Ziele für 2030 und darüber hinaus setzt.

Der wichtigste Faktor eines wirksamen Biodiversitätsschutzes ist die präzise Erfassung laufender Veränderungen. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Facetten der Biodiversität regelmäßig überwacht werden, da Veränderungen der biologischen Vielfalt gleichzeitig auf der Ebene von Genen, Arten und sogar Ökosystemen stattfinden. Ein effektives Biodiversitätsmanagement muss sicherstellen, dass keine Veränderungen auf einer Ebene unbemerkt bleiben.

Die Forscher:innen analysierten, inwieweit die neuen Ziele die sogenannten Essential Biodiversity Variables (EVBs) abdecken – eine Reihe wissenschaftlicher Messgrößen, die darauf ausgelegt sind, Veränderungen der Biodiversität auf allen Ebenen zu verfolgen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass das GBF nun alle EVB-Kategorien berücksichtigt und damit das Risiko verringert, wichtige Aspekte der marinen Biodiversität zu übersehen.

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie ist der hohe Grad an Übereinstimmung zwischen wissenschaftlicher Forschung und Politik bei der Verwendung von EBVs. Das GBF hat nun auch die genetische Ebene im Blick. Obwohl sie nur durch wenige Indikatoren abgedeckt ist, stellt dies eine deutliche Verbesserung gegenüber den früheren globalen Biodiversitätszielen, den Aichi-Zielen, dar. Zudem legt das GBF einen stärkeren Fokus auf sogenannte “sekundäre Variablen” wie Ökosystemfunktionen, die entscheidend dafür sind zu verstehen, wie marine Systeme auf Veränderungen reagieren. Diese Entwicklung spiegelt Trends in anderen globalen Rahmenwerken, wie etwa den ‘Planetary Boundaries’, wider und verdeutlicht ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass nicht nur Arten, sondern auch die Prozesse und Interaktionen, die die Gesundheit von Ökosystemen stützen, überwacht werden müssen.

»Unsere Analyse zeigt, dass die globale Politik dabei ist, in der Anerkennung der Komplexität mariner Biodiversität zur Wissenschaft aufzuholen. Dennoch ist es entscheidend, die grundlegenden Indikatoren nicht aus den Augen zu verlieren, da sie das Fundament unserer Ökosysteme bilden und entscheidend für wirksame Schutzmaßnahmen sind.«
Jan-Claas Dakja
Forscher im Bereich Meeresbiodiversitätsmanagement and -politik

Auch wenn der stärkere Fokus auf Indikatoren auf Ökosystemebene zu begrüßen ist, sollten diese sekundären Variablen nicht auf Kosten der “grundlegenden” wie genetische Zusammensetzung und Artenpopulation überbetont werden. Diese grundlegenden Indikatoren sind unerlässlich, um tatsächliche Fortschritte zu messen und wirksame Schutzmaßnahmen zu steuern. Es besteht die Gefahr, dass Veränderungen in wichtigen Bereichen der Biodiversität unbemerkt bleiben, wenn Regierungen selektiv auswählen oder nur bestimmten Arten Vorrang einräumen.

Die Studie betont zudem die Notwendigkeit einer verbesserten Umsetzung auf nationaler Ebene und präziserer Indikatoren, um sicherzustellen, dass globale Politik tatsächlich zu transformativem Wandel im Biodiversitätsschutz führt. Der wichtigste Biodiversitätsschutz findet auf lokaler und regionaler Ebene statt. Selbst wenn eine Art wie der Hering nicht weltweit ausstirbt, sondern aufgrund des Klimawandels näher an die Pole wandert, wird ihr Fehlen dennoch im gesamten Nahrungsnetz der südlichen Nordsee stark zu spüren sein. Während das GBF global den Rahmen für einen stärker wissenschaftsbasierten Ansatz schafft, hängt sein Erfolg davon ab, wie gut Länder diese Ziele mit soliden, transparenten Daten umsetzen und überwachen.

Marine Biodiversität bildet die Grundlage für die Gesundheit unserer Ozeane und die von ihnen erbrachten Leistungen, von der Ernährungssicherheit bis zur Klimaregulierung und darüber hinaus. Angesichts beispielloser Umweltveränderungen ist es wichtiger denn je, über die richtigen Instrumente zu verfügen, um Biodiversität präzise zu messen und zu managen. Diese Studie liefert eine Faktenprüfung der politischen Ziele für politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler:innen gleichermaßen und trägt dazu bei, dass künftige Schutzmaßnahmen sowohl umfassend als auch wirksam sind.

Dajka J-C, Eilrich A K, Franke A, Halpern B, Snow B, Lombard A, Jacob U, Laakmann S, Luhede A, Hillebrand H. (2025). From Science to Policy: Evolving Marine Biodiversity Targets. Frontiers in Ecology and the Environment.
https://doi.org/10.1002/fee.70000

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